Stellungnahme zum SPD-Antrag „Forschungstätigkeiten an Hochschulen für angewandte Wissenschaften stärken – Weitere Professuren einrichten“

Als Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) in Nordrhein-Westfalen begrüßen wir die wachsende Aufmerksamkeit, die Forschung an unseren Hochschulen seit geraumer Zeit in der Landespolitik erfährt.

2011 legte die damalige Landesregierung zum 40-jährigen Bestehen der Fachhochschulen in NRW einen Maßnahmen-Katalog vor, der u.a. auch die Stärkung angewandter Forschung an Fachhochschulen zum Ziel hatte und einige Landesprogramme hierzu neu aufstellte. Seitdem hat es immer wieder Initiativen aus dem für Hochschulen zuständigen Ministerium und dem Parlament zur Stärkung von Forschung an HAW gegeben. Der aktuelle Koalitionsvertrag von CDU und FDP aus Mai 2017 bekennt sich ebenfalls ausdrücklich zu diesem Ziel. Aktuell liegt ein Antrag der Regierungsfraktionen vor, der im Zuge der Novellierung des Hochschulgesetzes durch die Überführung des bestehenden Graduierteninstituts für angewandte Forschung der Fachhochschulen in ein Promotionskolleg und – im Falle einer positiven Begutachtung durch den Wissenschaftsrat – durch Verleihung des Promotionsrechts an dieses Kolleg bzw. einzelne seiner Fachbereiche einen substanziellen Schritt zur weiteren Stärkung von Forschung an HAW gehen will. Wir freuen uns, dass mit diesen Initiativen die Entwicklung der Forschungsleistung an unseren Hochschulen derart unterstützt und dem bereits Erreichten Rechnung getragen wird. Gerade auch mit Blick auf das 2021 anstehende 50-jährige Bestehen von HAW in NRW lässt sich also eine kontinuierliche Verbesserung der Voraussetzungen für Forschung an HAW bilanzieren.

Nichtsdestotrotz bleiben strukturelle Unzulänglichkeiten, die Forschung an unseren Hochschulen erschweren, begrenzen und Potenziale ungenutzt lassen. Zu nennen ist hier allen voran die fehlende Grundfinanzierung für Forschung an den HAW. Hinzukommt selbstverständlich auch die vergleichsweise hohe Lehrverpflichtung von Professor/innen an HAW, die weniger Freiräume für Forschung lässt, und die der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion senken möchte. Ein dritter Faktor sind fehlende oder vergleichsweise schwach ausgestattete Forschungsprogramme, die speziell anwendungsorientierte Forschung fokussieren. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) adressiert mit ihrer Förderung beispielsweise insbesondere die Grundlagenforschung, wohingegen eine vergleichbare Förderstruktur für anwendungsorientierte Forschung fehlt. Ein vierter Faktor sind die hochschulgesetzlichen Rahmenbedingungen von Forschung an HAW.

Soll Forschung an HAW strukturell gestärkt werden, so gibt es daher aus Hochschulsicht hierfür mehrere Ansatzpunkte. Eine Kombination aus allen Faktoren ergäbe nach Auffassung der Hochschulen optimale Bedingungen.

1. Strukturell ist eine verlässliche Grundfinanzierung für Forschung das stärkste Mittel zur Förderung der Forschung an HAW. Bislang fehlt diese gänzlich. Forschung lässt sich so an HAW nur über zeitlich befristete Programmmittel, das Einwerben von Drittmitteln und im begrenzten Rahmen der bereits genannten Lehrermäßigungen finanzieren. Trotz dieser eng begrenzten Ressourcen haben die HAW in NRW ihre Forschungsleistung kontinuierlich steigern können. Dank bereits bestehender Programmfinanzierungen auch des Landes sind die technischen Voraussetzungen für Forschung an HAW z.B. in Form von Laboren bereits heute konkurrenzfähig. Es fehlt jedoch bislang ein nennenswerter akademischer Mittelbau, denn kaum ein Drittmittelprojekt könnte allein mit den Ressourcen erfolgreich sein, die eine Professorin oder ein Professor mitbringen. Dies gilt unabhängig vom Hochschultyp und der je spezifischen Lehrverpflichtung der dortigen Professor/innen. Aufgaben in der akademischen Selbstverwaltung, Publikationen, Konferenzbeiträge und anderes reduzieren die Forschungskapazitäten einer jeden Professur. Ohne Mitarbeit eines qualifizierten Mittelbaus ist Forschung an Hochschulen überhaupt nicht vorstellbar. Zusätzliche landesfinanzierte wissenschaftliche Mitarbeiter/innen könnten darüber hinaus im Umfang von bis zu 4 SWS Lehraufgaben kapazitätsneutral übernehmen; die Professorinnen und Professoren könnten im gleichen Umfang Deputatsermäßigungen für Forschung und Wissenstransfer erhalten. Ein weiterer Vorteil grundfinanzierter Forschung wäre die Unabhängigkeit von Partner/innen aus der Wirtschaft oder hoheitlicher Forschungsförderung, so dass innovative Entwicklungen ermöglicht würden, die wegen der derzeitig fehlenden Forschungsförderung im Anwendungsbereich nicht verfolgt werden können.

2. Wie wir bereits zur Anhörung des Wissenschaftsausschusses am 07.11.2018 vorgetragen haben, schafft die Ausweitung von Ermäßigungsmöglichkeiten bei der Lehrverpflichtung von Professor/innen neue Freiräume für Forschung an HAW. Entscheidend ist jedoch, dass eine solche Flexibilisierung nicht zu Lasten der Lehre an HAW geht, die angesichts der anhaltend hohen Nachfrage nach Studienplätzen keine Schwächung erfahren darf. Richtig ist daher der Gedanke, eine mögliche Reduzierung der Lehrverpflichtung mit einer Kompensation z.B. für zusätzliche Professuren oder für grundständig finanzierte wissenschaftliche Mitarbeiter/innen zu verbinden. So haben wir es auch in unserem Positionspapier zur Forschung an HAW vom 17. bzw. 25.01.2019 gefordert, das den Fraktionen vorliegt.

3. Eine Schwäche der bestehenden Förderinstrumente für Forschung ist die Unausgewogenheit ihrer Ausrichtung auf Grundlagenforschung einerseits und anwendungsorientierte Forschung andererseits. Aus Sicht der HAW würde die Etablierung einer Deutschen Transfergemeinschaft (DTG) nicht nur unmittelbar die Förderstrukturen für anwendungsorientierte Forschung an HAW stärken, sondern sehr viel grundsätzlicher eine Förderücke im deutschen Innovationssystem schließen, bei der auf dem Weg von der Invention über die Applikation hin zur Innovation (innovatives Produkt, innovative Dienstleistung) die zur Verfügung stehenden Fördermöglichkeiten und Programmvolumina immer schwächer werden, sodass es zu einem echten Flaschenhalseffekt kommt, der die Innovationsentwicklung hemmt. Gestützt wird die Idee einer solchen Förderstruktur ganz aktuell auch durch den Beschluss des Senats der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zu Förderprogrammen für anwendungsorientierte Forschung.

4. Neben Zeit und finanziellen Ressourcen für die Forschung an HAW kommt der Aspekt der rechtlichen Rahmenbedingungen für Forschung hinzu. Formuliert das Hochschulgesetz zwar eindeutig einen Forschungsauftrag auch für die HAW, so beschränken die bestehenden Regelungen zur Promotion das Forschungsgeschehen an HAW heute jedoch noch auf das Feld von Kooperationen mit universitären Partner/innen. Der von CDU und FDP eingeschlagene Weg, ein Promotionskolleg für angewandte Forschung der HAW oder deren Fachbereiche in NRW mit dem Promotionsrecht ausstatten zu können, ist daher ein sehr konkreter Schritt hin zur Stärkung von Forschung an HAW, der allein schon durch die gesetzliche Normierung positive Wirkung entfalten wird.

Prof. Dr. Marcus Baumann
Vorsitzender
Landesrektorenkonferenz

Loretta Salvagno
Sprecherin
Kanzlerkonferenz

Markus Hinsenkamp
Sprecher
Kanzlerkonferenz